Googles KI-Antworten (SGE): Von Bard bis zur Chegg-Klage – was Publisher jetzt wissen müssen

Googles KI-Antworten (SGE): Von Bard bis zur Chegg-Klage – was Publisher jetzt wissen müssen
Googles Suche bekommt ein neues Gehirn – das Problem: Es halluziniert gern. Was als Antwort auf den ChatGPT-Hype begann, ist längst ein globales Experiment mit offenem Ausgang. Ob fehlerhafte Fakten, verlorene Reichweite oder wütende Publisher – der Weg zur „Search Generative Experience“ (SGE) war gepflastert mit Warnlampen. Zeit für einen Realitätscheck.
1. Code Red bei Google: Wie ChatGPT Panik auslöste
Als OpenAI im November 2022 ChatGPT ins Netz ließ, wurde’s still in Mountain View – und dann ziemlich hektisch. In nur zwei Monaten knackte der Chatbot 100 Millionen Nutzer, schneller als jede andere App zuvor (Reuters). Die Google-Chefetage reagierte mit einem „Code Red“ – interne Alarmstufe Rot. Selbst Larry Page und Sergey Brin wurden zurückgeholt (Search Engine Journal).
2. Bard verpatzt die Premiere – und kostet 100 Milliarden
Google wollte kontern und stellte im Februar 2023 Bard vor – das Ergebnis: ein Desaster. In der Präsentation gab Bard eine falsche Info über das James-Webb-Teleskop. Ausgerechnet in Googles eigener Werbung. Die Folge: Alphabet verlor über Nacht rund 100 Milliarden Dollar an Börsenwert, die Aktie rauschte um 9 % nach unten (NPR, Reuters).
3. Wenn KI-Antworten gefährlich werden
Nach dem PR-GAU kamen die echten Risiken ans Licht: SGE schlug Nutzern unter anderem vor, giftige Pilze zu kochen – mit tödlichem Potenzial (t3n). Oder Urin zu trinken, um gesund zu bleiben. In einem Fall empfahl die KI sogar „Mord“ als Lösung für Wutprobleme – mit dem Zusatz, das Opfer solle „nicht sonderlich vermisst werden, z. B. Obdachlose“ (CHIP).
Google reagierte mit Patches und Blocklisten – doch das Vertrauen war erneut angeknackst. Gerade in sensiblen Bereichen (YMYL: „Your Money or Your Life“) ist die Messlatte für Qualität extrem hoch – und SGE riss sie mehrfach (vgl. Search Quality Evaluator Guidelines).
4. SGE in UK & USA: Erste Zahlen – erste Verluste
Laut SISTRIX lag der Anteil der Suchanfragen mit KI-Antworten in Großbritannien im März 2025 bei über 18 %, in den USA bei rund 8,7 % – Tendenz steigend (SISTRIX, SISTRIX Blog). Besonders betroffen: Informations-Suchen. Bei Health- oder History-Keywords tauchte SGE in bis zu 45 % der Fälle auf. Klassische Featured Snippets verschwinden zunehmend.
5. Deutschlandstart mit Einschränkungen
Seit März 2025 ist SGE auch in Deutschland live – aber nur für eingeloggte, volljährige Nutzer (SISTRIX). Der Rollout ist bewusst vorsichtig – wegen Datenschutz und DSGVO. Noch fehlen belastbare Trackingdaten. Johannes Beus erwartet, dass breitere Sichtbarkeit erst in den kommenden Monaten messbar wird.
6. Chegg vs. Google: Wenn SGE Geschäftsmodelle zerstört
Im Februar 2025 verklagte der US-Bildungsanbieter Chegg Google – wegen „wettbewerbswidrigen Verhaltens“. Die Vorwürfe: SGE ziehe Inhalte ab, serviere die Antwort selbst und sorge so für massive Trafficverluste. Der Non-Subscriber-Traffic brach um 49 % ein, die Umsätze um 24 % (Plagiarism Today, EdTech Innovation Hub).
Google verteidigte sich: Die KI sende sogar „mehr Traffic an mehr Seiten“. Belege? Fehlanzeige.
7. Warum SGE-Antworten nie gleich sind
Die SGE-Antworten entstehen live – jedes Mal neu. Das bedeutet: gleiche Frage, unterschiedliche Antwort. Unterschiedliche Quellen. Unterschiedliche Gewichtung. Für Publisher heißt das: Man kann nicht gezielt auf Platz 0 optimieren, wie früher beim Featured Snippet. Relevanz, Reputation und Aktualität zählen mehr denn je (MSB NRW).
8. Wer verliert – und wer profitiert? Spoiler: Reddit
Wikipedia & Co. verlieren Sichtbarkeit. Reddit hingegen wird gefeiert: Beiträge der Community tauchen überdurchschnittlich oft in KI-Antworten auf – weil sie authentisch, vielseitig und schwer ersetzbar sind. Google hat sich sogar exklusiven Zugriff auf Reddits API gesichert – für 60 Millionen Dollar pro Jahr (Reuters, SERoundtable).
9. Handlungsempfehlungen für Publisher
Kurz & knackig: So bleibt man sichtbar trotz KI-Flut.
Schnelle, mobile Seiten (Core Web Vitals nicht ignorieren)
Klare Strukturen & gute UX
Tiefe statt Breite: Echte Inhalte, keine KI-Worthülsen
Aktualisierungspflicht: Veraltete Inhalte raus, frischer Content rein
Marke & Autorenschaft betonen (E-E-A-T!)
Formate variieren: Tools, Videos, Visuals
Newsletter & Direktzugriffe pushen
Planinja liefert hier eine sehr gute Checkliste – Pflichtlektüre für jeden Publisher.
Fazit: Kein Grund zur Panik, aber zum Handeln
Die generative Suche ist kein Hype – sie ist gekommen, um zu bleiben. Wer jetzt investiert – in Inhalte, Marke, Struktur – kann auch in der neuen KI-Realität bestehen. Googles SGE braucht gute Quellen. Und genau hier haben Publisher ihren Platz. Aber: Wer austauschbar bleibt, wird auch ersetzt. Die Such-Zukunft gehört denen, die mehr liefern als 08/15-Antworten.